Nach Hause!
Von Fritz Bredemeier

 

Aus dem Tagebuch von Fritz Bredemeier, Burgdorf, XVI-XIX
Firmenjubiläum

 

14. März 1962

 

Ganz nebenbei erfahre ich, dass ich unseren Herrn Fiene vom Flugplatz abholen soll. Das hätte man mir ja auch sagen können. Anschließend bin ich den ganzen Tag sein Taxifahrer gewesen.

 

Abends bin ich an Bord der Prospekta. Das Wetter ist ausgezeichnet - kaum Wind und schön warm. Das Wasser ist voller Fische. Es blitzt unter Wasser, wenn die Sonne drauf scheint. Auf einer kleinen Insel an der El Kiman Bai hat ein Seeadler seinen Horst. Um Nahrung muss er sich keine Sorge machen.

 

Abends liegen viele Fischerboote in der Bai oder sie treiben langsam dahin. Die Boote im Mondschein auf dem Wasser und auf einigen von ihnen ein offenes Feuer zum Kochen - ich wünsche, meine Frau könnte das sehen.

 

17. März 1962

 

Um sieben Uhr morgens der erste Besuch im Zelt. Mit dem LKW ins Camp gefahren, um Wasser zu holen. Erst zum Camp - dann zu Hamann - dann zum Post-Office - Post zu Hamann - von Hamann zum Camp - von dort mit 500 Liter Wasser zum Office.

 

Dort Nachricht - voll Wasser tanken - na gut - Wasser voll tanken - wieder zu Hamann - der will zum Camp - unterwegs fällt uns die Organisation des Sprengstoffs ein - also wieder zurück - aber umsonst - nun doch zum Camp - Hamann abliefern - jetzt endlich - Wasser ausliefern.

 

18. März 1962

 

Die ersten Beschwerden treten auf. Ein Kollege klagt über Leberschmerzen.

 

Mein Zeltgenosse macht mir aus anderen Gründen immer mehr zu schaffen.

 

Ich würde lieber allein sein, dann hätte ich keinen Grund, mich über die Selbstgefälligkeit, die Faulheit und das Mobbing des Kollegen zu ärgern.

 

22. März 1962

 

Mein Hausgenosse ist heute als Ersatz für einen anderen Kollegen an Bord gegangen, der magenkrank geworden ist.

 

Die Überfahrt mit dem Schlauchboot ist toll. Es ist Vollmond - das Wasser ist klar - man kann bis auf den Grund sehen - zwei Delphine schwimmen in dreißig Meter Abstand neben uns her! Ein Erlebnis!

 

23. März 1962

 

Nach Feierabend fahre ich mit dem LKW zum Schiff. Es liegt in Um El Kiman. Es ist nicht einfach, mit dem großen Schlurren und in den engen Schluchten durch den losen Sand zu gurken. Alle Hindernisse schlagen furchtbar in die Lenkung.

 

An Bord herrscht Badestimmung.

 

Wir haben an der Apparatur bis halb eins gearbeitet.

 

Die Besatzung sitzt in der Messe und feiert das 25-jährige Bestehen der Firma. Der Seemanager sitzt die meiste Zeit bei uns. Er wird beschuldigt, nichts für die Besatzung zu tun. Doch haben wir zwei Manager, den einen für die See, den anderen für das Land - so gingen die Beschuldigungen daneben. Was dem Unternehmen fehlt, ist ein Kommandeur, der Anordnungen gibt, die auf dem Land und zur See verbindlich sind.

 

 

 

Aus dem Tagebuch von Fritz Bredemeier, XVII

 

24. März 1962

 

Die Feier dauert bis weit in die Nacht. Ich habe dann an Bord geschlafen. Um fünf Uhr bin ich wieder raus.

 

Der Mustafa hat mich an Land gesetzt und um halb sieben bin ich wieder auf meiner Station. Es ist herrlich - im Osten geht die Sonne auf - die See ist spiegelglatt. Allerdings sind die deutschen Seeleute nicht in der Lage, mich an Land zu bringen. Dafür müssen drei Mann von Mustafa aus dem Schlaf geholt werden.

 

Ich werde von zwei Fischern zum Mitfahren eingeladen, die ihr Zelt und ihren Wagen in der Nähe haben. Abends bin ich zurück in Ras Gharib.

 

25. März 1962

 

Die beiden Fischer von gestern sind vorbeigekommen. Wir haben eine Stunde geklönt. Mit meinem Englisch bin ich so weit gekommen, dass ich mich gut verständigen kann. Die beiden Herren laden mich ein, sie doch mal zu besuchen. Das sind sie: Omar Ibn Khattab - Heliopolis  - tel. 63362 - Mr. Georges Theotokas - Kasr el Nil (8 Soliman Pascha Talent Harb 71472).

 

Die Grillen haben eine Invasion auf uns begonnen. Wenn man sie bespritzt, sind sie sehr schnell weg. Irgendwo tauchen sie dann wieder auf - vielleicht auf dem Bett. Oder so ein Ding fällt einem auf den Schoß. Diese Tierchen sind harmlos, aber man ekelt sich vor ihnen. Ich werde noch zum Giftspritzer und Massenmörder.

 

26. März 1962

 

Wir haben gutes Wetter. Aber es wird einem verleidet, weil es so viele Sonnenkäfer gibt. Anscheinend haben sie es alle auf mein Gesicht abgesehen. Deswegen bleibe ich lieber im Zelt. Ich habe die Luvseite aufgemacht, damit es nicht zu bullig heiß ist - aber jetzt zieht es - was soll ich nun wieder machen? Vier Tassen Kaffee habe ich wohl innerhalb einer Viertelstunde getrunken. Die letzte Dose Gemüse habe ich heute aufgemacht - und was esse ich morgen?

 

Die Turbinen unsere Generatoren haben vermutlich Tausende dieser Käfer zermahlen. Auf der Abluftseite wabert es von Flügeln.

 

29. März 1962

 

Es ist Messpause. Ein Wind ist aufgekommen - das Bunkerboot lässt auf sich warten. Ich fahre zu Udo - die Versorgungslage ist angespannt - ich muss etwas zum Essen besorgen.

 

Unterwegs geht der Wagen kaputt - eine Bremsleitung ist abgebrochen - wir können das zwar erst mal reparieren, aber dann ist die Bremsflüssigkeit weg und die Bremse geht nicht mehr.

 

Auf dem Weg nach Abu Gada. Dort gibt es sogar ein Aquarium mit sonderbaren Fischen. Ist das hier nicht die Gegend, in der Hans Haas seine ersten Unterwasseraufnahmen gemacht hat?

 

Auf dem Weg hierher haben wir noch einen fremden Wagen abgeschleppt.

 

Als ich in mein Zelt komme, sind Grillen und Mäuse drin. Jetzt bin ich erst mal wieder der Jäger.

 

 

 

Aus dem Tagebuch von Fritz Bredemeier, Burgdorf, XVIII:
Vom Nichtstun erschöpft

 

31. März 1962

 

Seit gestern Abend tobt ein Sturm. Nachts habe ich nur ein paar Stunden geschlafen. Die Grillen machen Krach - mit dem Sturm um die Wette.  Das Zelt flattert und schlägt mir an den Kopf - die Zeltwand drängt mich aus dem Bett - die Seile an den Antennenmasten klappern - der Wind heult und pfeift an den Seilen. Das Zelt knallt, so dass ich manchmal meine, es müsse bald kaputt sein. Aber noch ist es heil. Zur Mittagszeit hat es sogar geregnet.

 

Meine langen Haare hindern mich am Sehen. Sie geraten mir immer in die Augen. Ich müsste dringend zum Friseur. Tagelang nur essen, schlafen und lesen wird immer langweiliger.

 

1.    April 1962

 

Der Sturm tobt immer noch. Um halb neun bin ich aufgestanden, weil ich meinte, das Zelt müsse bald wegwehen - ist es aber nicht. Ich habe gezeichnet, wie die Verbesserung unserer Ausrüstung aussehen müsste. Die Augen fallen mir zu - aber ich fürchte, dass ich nicht schlafen kann.

 

2.    April 1962

 

Der Kollege Willi wohnt jetzt wieder bei mir im Zelt. Heute haben wir zu vermelden, dass wir beide sehr müde sind. Das liegt wohl an der Wärme. Vor Mitternacht kommt man nicht zum Schlafen und am Tage ist man träge und unlustig. Jede Handbewegung ist eine zu viel. Tagsüber lassen uns die Grillen in Ruhe. In der Nacht zwischen drei und sieben hatten sie ihren Auftritt.

 

Ich bin so sensibilisiert, dass ich die kleinste Bewegung wahrnehme. Wenn sich eine Fliege irgendwo hinsetzt, merke ich das sofort. Die sitzen zu gern bei mir auf den Füßen.

 

3.    April 1962

 

Umzug! Seit sechs Uhr sind wir tätig. Ich bin hungrig, müde und kaputt. Beim Abbau eines Zeltes läuft ein Skorpion daher. Er ist so groß wie eine Maus. Die Jungs haben ihn gleich mit einem Hammer in Grund und Boden gehauen und den Hammer danach noch abgewischt.

 

Die Ereignisse häufen sich - Professor Benz und Dr. von Helms sind mit ihren Frauen eingetroffen. Morgen soll LORAC stehen. Der Rolf auf Sinai - also El Tor – muss sich morgen bei der Behörde die Genehmigung holen, ob er überhaupt da sein darf. Das Militär hat Panzer aufgefahren. Die ganze Gegend ist Aufmarschgelände. Und ich bin so müde!

 

4.    April 1962

 

Heute war Besuch da. Der Chefredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung komt mit seiner Frau zu uns ins Zelt. Wir hätten noch stundenlang plaudern können. Die Kollegen hatten leider kein Verständnis für die Dinge, die den Chefredakteur interessieren. Schade.

 

Beim Aufbau des Großen Sendemastes wäre uns dieser beinahe auf den Kopf gefallen - ein Häring ist ausgerissen. Das hätte böse enden können.

 

 

 

Aus dem Tagebuch von Fritz Bredemeier, Burgdorf, XIX:
Nach Hause

 

5.    April 1962

 

Es ist windig. Die Fliegen sind bei dieser Wetterlage besonders schlimm. Ich habe einige Geräte repariert.

 

Wegen des Windes holt niemand Wasser. Jetzt haben wir kein Wasser mehr. Waschen ist Luxus.

 

Das Schiff hat Bruch gefahren. Wir wissen noch nicht, wie wir das angehen sollen.

 

Vor dem Zelt steht eine Cola-Kiste mit leeren Flaschen. Der Wind macht daraus eine hohle Orgel. Das klingt wie in einem Gruselfilm. Das Zelt schlägt, klappert und ächzt und der fliegende Sand rauscht entlang der Zeltwände.

 

6.    April 1962

 

Man kann überhaupt nicht so lange schlafen, wie man Zeit hat. Der Sturm bläst unverändert. Im Zelt ist alles mit Staub bedeckt. Die Tasse muss man erst ausgießen, bevor man Kaffee eingießt. Das Essen knirscht zwischen den Zähnen.

 

Sonst ist nichts zu tun - man sitzt oder liegt herum und langweilt sich.

 

7.    April 1962

 

Für neun Uhr ist Funkverkehr vereinbart. Prospekta meldet sich nicht. Dafür sind drei neue Kollegen angekommen - sie waren noch betrunken.

 

Prakla hat in Ägypten keine gute Figur gemacht. Wenn die Jungs blau sind, repräsentieren sie Deutschland nicht vorteilhaft. Die Vorstellung von Pünktlichkeit und Repräsentation scheinen an Bord, aber nicht an Land übereinzustimmen.

 

Der Dampfer ist ein Kinderschiff!

 

8.    April 1962

 

Die Messungen sind beendet.

 

14. April 1962

 

Bei Franz in Suez - - - Wir sind mit Pässen, die uns gar nicht gehören, an Bord gegangen und haben dort geschlafen. Der Dampfer sieht noch genau so aus, wie die Lords ihn verlassen haben. - - - Die Wände voller möglichst nackter Bilder.

 

15. April 1962

 

Am Nachmittag fahren wir nach Kairo. Nach einem Essen im Hotel Semiramis, das einigermaßen war, fahren wir mit dem Taxi zum Nachtlokal Sahara City. Wir sitzen direkt an der Bühne. Wir können die Damen und Herren aus zwei Metern Entfernung betrachten. Was sie zeigen, ist manchmal sehr deutlich.

 

Um 2 Uhr nachts ist Schluss.  Eine der Tänzerinnen, sie kommt aus Schwarzafrika, lässt sich an unserem Tisch einladen. Sie ist ein hübsches Kind und sehr nett - aber mit zehn Mann können wir da nichts bestellen. Außerdem ist Feierabend.

 

Jetzt gehen wir noch in den Champagner Club - einem sündhaft teuren Laden - aber mit vielen Mädchen. Ich sitze mit einem von ihnen zusammen - sie spricht kein englisch – ihr Angebot verstehe ich dennoch, aber ich lehne es ab. Sie verschwindet unter Mitnahme der Flasche.

 

Trotzdem bin ich gut in Fahrt - Ich bin blau! - Es ist vier Uhr - Ich denke an zuhause und meine Frau und hoffe bald bei ihr zu sein. Vorher, im Frankfurter Flughafen, will ich zum Friseur gehen.