Nichts zu tun im Kongo

 

Na dann, gute Nacht, Lisette!

 

Donnerstag, den 5. September 1974

 

(Kongo 7) Ich sitze auf dem Bett - weiß bezogen - Schlafsack - Wolldecke. Es ist gleich 21 Uhr und schon lange dunkel. Heute Abend habe ich zum ersten Mal das Kreuz des Südens gesehen.

 

Ich bin jetzt den zweiten Tag auf der Station. Mit mir zusammen leben zwei Einheimische, die sich jedoch abwechseln. Das muss zwar nicht sein, aber auf diese Weise sind wir keine Fremden, die man ruhig bestehlen dürfte. Sie kommen aus dem am nächsten gelegenen Dorf. Die armen Jungs wissen nicht, was hier vorgeht. Aber solange ich mit gutem Beispiel voran gehe und Zuversicht im Umgang mit meinen Instrumenten zeige, sind sie beruhigt. Ich versuche, den Leuten behilflich zu sein. An einem ihrer Messer habe ich den Griff wieder fest gemacht. Das hatte zur Folge, dass ich ein Radio reparieren sollte. Ich nehme sie auch mit, wenn ich etwas mache, wie heute, als ich einen Generator reparierte. Begreifen sie, was ich mache? Das glaube ich nicht - aber wer weiß.

 

Es gibt hier einen geodätischen Punkt, markiert mit einem Stein. Darauf steht die Antenne für den Navigationssender.

 

Zu tun ist hier so gut wie nichts. Hundert Meter weiter stehen zwei Generatoren, das heißt, dass jeweils nur einer läuft. 2500 Liter Benzin in 200 Liter Fässern stehen auch da. Die hundert Meter Abstand müssen sein, weil der Krach sonst zu laut wäre. Die Station, das sind zwei Zelte - 4 mal 4,5 Meter, Firsthöhe 2,30 Meter.

 

Ein Zelt ist für mich, das andere ist für die Instrumente. Dort schläft auch der Boy. 

 

Ich habe hier nichts auszustehen. Elektrisches Licht - Kühlschrank - Gaskocher - Küchengeschirr - Radio - und was der Mensch so braucht. Meine Aufgabe ist es, den Laden in Gang zu halten. Motorenpflege. Es ist fast nichts zu tun, aber ich bin den ganzen Tag beschäftigt - Benzinstandanzeiger bauen - Wasserfass aufbocken, so dass man aus dem Hahn zapfen, also einen Topf unter den Hahn stellen kann - Funkgeräte nachgleichen, so dass man besser verstehen kann - Kühlschrank abtauen - Kisten und Kasten durchsuchen für eine Bestandsaufnahme, was eigentlich alles hier ist.

 

Wir haben eine reichhaltige Apotheke. Manche Medikamente sind die dicksten Kanonen! Der Kasten mit dem Schlangenserum liegt im Kühlschrank. Vor seiner Anwendung sind Verträglichkeitstests zu machen. Und die biologische Schranke ist mit Histamin zu umgehen!

 

Ich hoffe, dass mich keine Schlange beißt. Unter dem Wasserfass befanden sich Tausendfüßler - wohl zehn Zentimeter lang und einen Zentimeter dick. Die Einheimischen schlagen alles tot, was sich bewegt. Der Rest wird abgebrannt. Deshalb ist die Gegend wohl so kahl.  

 

Die Fahrt hierher war ein Erlebnis. Ich habe mir das Genick verstaucht, als ich mit dem Kopf unter die Decke des Autos gestoßen bin. Die Wege brauche ich wohl nicht zu beschreiben. Jetzt habe ich auch den Urwald von unten gesehen. Wenn es hier so wie bei uns ist, gibt es bald Regen.

 

Na dann gute Nacht, Lisette!

 

 

Termiten, Ameisenlöwen und Heuschrecken

 

(Kongo 8) Gegen 10 Uhr fing es an zu regnen, so dass ich meine Arbeit kaum fertig bekam. Es ist nicht kalt - vielleicht 23º C - aber wenn man nass geworden ist, friert man doch.

 

Mir ist, als wenn die Gegend zusehends grüner wird. Vor der Tür habe ich gestern vier Samenkörner eingesät, die ich in Pointe-Noire von einem Baum gepflückt hatte. Mal sehen, was daraus wird.

 

Die Gegend ist voll von Termitenhügel. Wenn man einen umwirft, krabbeln die Termiten wie die Ameisen hervor. Die Kleinen sind farblos - weiß - alles verzieht sich schleunigst ins Innere, denn sie mögen kein Licht. Ameisen gibt es auch. Die sind etwas größer als unsere großen roten Waldameisen und total schwarz. Sie leben nicht in so großen Haufen wie bei uns, sondern in kleineren Familien.

 

Vor dem Zelt wohnen Ameisenlöwen. Die graben einen Trichter in den Sand und buddeln sich am Grund ein. Sollte irgendein Viech vorbeilaufen, wirft der Ameisenlöwe so viel Sand und sich selbst aus den Trichter, so dass der Sand von oben nachrieselt.

 

In der Nähe stand eine Palme. Die haben meine Jungs erst mal umgehauen. Aus dem Mark zapften sie Saft in einen Becher aus Bambus. Getrunken wird aus dem Becher. Wenn auch ein paar Ameisen darin herumlaufen, das ist kein Hinderungsgrund. Es sind allerdings nur ein paar Tropfen, was da zusammenkommt - dafür musste die Palme fallen, die vielleicht zwanzig Jahre dort gestanden hat.

 

Wir lagern auf einem Hügel. Aus dem Tal tönt das Zirpen der Heuschrecken. Die sind wesentlich größer als bei uns. Gestern waren viele Schmetterlinge da. Die sind auch größer als bei uns und bunter. Ein paar Vögel habe ich gleichfalls gesehen - sonst scheint die Gegend wie ausgestorben zu sein.

 

 

Es ist fast nichts zu tun.

Den ganzen Tag glaube ich schon, es ist Sonntag. Sogar ein sonntägliches Essen habe ich gemacht. Es gab weiße Bohnen in Tomatensoße und gebratenes Frühstücksfleisch - und als Krönung, trocken gewordenes Brot, in Milch eingeweicht und
in Olivenöl gerötet.

 

Heute Abend wollte ich den Rest essen. Zuvor eine Suppe - Brühwürfel - Nudeln - etwas angedickt - Weißbrot geröstet - eine halbe Dose Birnen - zwei Glas Wasser - zwei Pillen - und dann mochte ich den Rest nicht mehr.

 

Fast die gesamte Kücheneinrichtung war in Gebrauch. Mein Boy wird das morgen alles abwaschen - in kaltem Wasser. Er ist rührend besorgt. Er besorgt auch meine Wäsche. Ich hätte doch lieber noch mehr Rei in der Tube mitnehmen sollen. Ein Paket Waschmittel, 200 Gramm, kostet 500 Franc. Der Boy hier auf der Station verdient 2,50 Franc am Tag.

 

Obwohl es im Grunde nichts zu tun gibt, habe ich noch kein Wort gelesen.

 

Das Zelt feuchtet durch bis in mein Bett! Der Wind drückt das Außenzelt gegen das Innenzelt und an mein Bett - dadurch wurde es nass. Das habe ich geändert, indem ich das Außenzelt eingrub und die Häringe anders setzte.  Auf der Ostseite ist es ähnlich. Alle Häringe tiefer eingeschlagen. Durch den Regen wird die Erde weich und die Festpunkte sind nicht mehr fest.

 

Die Generatoren machen die meiste Arbeit. Ich sehe aus wie ein Schlosser und bin im Gesicht so schwarz wie mein Boy. Wenn es morgen nicht regnet, will ich eine Fußmatte aus Palmblättern machen. Die kommt vor die Tür, damit sich der Sand nicht so reintritt.

 

   Es gibt fast nichts zu tun...

 

 

 

… und es ist tierisch.

 

Heute Morgen um 6 war Bodennebel. Oben zogen ein paar Wolken an die aufgehende Sonne vorbei. Der abnehmende Mond war noch da. Es war windstill. Bald kam Wind auf, der die Wolken vertrieb. Um 8 Uhr waren meine Arme schon verbrannt. Jetzt ist es halb zehn und der Himmel hat sich wieder bezogen. Es ist ein schattenloses Licht, aber so hell, dass man mit den Augen blinzeln muss.

 

Viel gibt es hier nicht, aber Insekten in Massen. Gestern habe ich die Lampe nach draußen gehängt - als Hoflicht. Was da alles herumschwirrte - Nachtfalter so groß wie Postkarten - Heuschrecken so groß wie Streichholzschachteln und wohl auch so schwer. Gestern hat mich eine von ihnen angeflogen!

 

Fliegen gibt es nur wenige - dafür umso mehr schwarze Käfer. Sie sitzen in dicken Schichten am Zelt. Deswegen habe ich die Hoflampe angelegt, damit die nicht alle zu mir rein wollen. Aber viel geholfen hat es nicht. Im Gegenteil - mein Hoflicht wurde zu einem Leuchtturm!

 

Jetzt sitzen diese vermaledeiten Heuschrecken doch zwischen Außen- und Innenzelt. Der Lärm ist nervtötend.

 

Diese schwarz-gelben Tausendfüßler treiben sich hier überall herum. Den einen habe ich aus dem Zelt geholt und mit dem Spaten mitten durchgestochen!

Es ist tierisch.